Das Schneeball-Experiment

Wie fünf Minuten Spass unseren (Arbeits-)tag verändern können

Martina Talamona

1/17/20253 min read

"Das ist doch albern!" – Das war mein erster Gedanke, als Martin anfing, Schneebälle nach mir zu werfen. Wir waren auf einer Winterwanderung und ehrlich gesagt hatte ich keine Lust auf nasse Handschuhe und eine Schneeballschlacht. Ausserdem sehe ich weniger als Martin und bin damit im Nachteil. Doch Ausreden gibt es für Martin nicht. Er schlug ein Experiment vor: "Komm, wir tun für fünf Minuten so, als wären wir Kinder!"

Experiment? Das klang schon interessanter. Als Psychologin liebe ich Experimente, und fünf Minuten sind überschaubar. Ich machte mit und wurde überrascht. Diese fünf Minuten ausgelassenes Herumtollen im Schnee veränderten nicht nur meine Stimmung komplett, sondern auch den Rest unserer Wanderung. Wir lachten, redeten angeregt und setzten unseren Weg mit neuem Schwung fort.

Diese kleine Episode brachte mich zum Nachdenken: Wie oft verweigern wir uns solchen Momenten der Leichtigkeit – besonders bei der Arbeit?

Die Angst vor dem Albern sein

"Erst die Arbeit, dann das Vergnügen" – dieser Satz hat sich tief in unsere Arbeitskultur eingebrannt. Wir befürchten, nicht ernst genommen zu werden, wenn wir bei der Arbeit lachen oder gar albern sind. Wir möchten professionell wirken, kompetent, seriös. Deshalb fragen wir uns: Wie wirken wir, wenn wir ausgelassen sind und offensichtlich Spass haben? Was könnten Andere über uns denken? Bei mir sitzt die Verbindung zwischen Ernsthaftigkeit und Professionalität noch immer tief.


Doch ist das ein Widerspruch?

Was die Forschung sagt

Die Wissenschaft zeichnet ein anderes Bild: Teams, die regelmässig zusammen lachen, sind nachweislich erfolgreicher. Eine aktuelle Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) zeigt: Sie arbeiten bis zu 27 % effektiver zusammen. Und es kommt noch besser: Gemeinsames Lachen reduziert die Ausschüttung von Stresshormonen um bis zu 70 % – ganz ohne Achtsamkeits-App oder Meditationskurs.

Wenn selbst Tech-Giganten wie Google Rutschen in ihren Büros installieren und Spielzonen einrichten, dann nicht aus einer Laune heraus. Sie haben verstanden, was die Hirnforschung bestätigt: Spielerische Elemente fördern Kreativität und Innovation. Teams, die sich diese Leichtigkeit erlauben, entwickeln bis zu 50 % mehr innovative Lösungen.

Arbeitskultur der Leichtigkeit – längst kein neuer Trend mehr

Die Geschichte der "ernsten Arbeit" reicht weit zurück. Die industrielle Revolution prägte unser Verständnis von Arbeit: getaktet, effizient, ernst. Lachen bei der Arbeit? Undenkbar!

Doch seit etwa 2010 passiert etwas Interessantes: Die Start-up-Kultur bricht mit diesen Traditionen. Pingpong-Tische statt Mahagonischreibtische, Casual Friday wird zu Casual Everyday. Was anfangs belächelt wurde, entwickelte sich zum Trend: Die erfolgreichsten Unternehmen unserer Zeit – von Apple bis Zoom – setzen auf eine Kultur der Leichtigkeit.

Trotzdem: Die alte "Arbeitsernst-Kultur" sitzt tief in unseren Köpfen. Besonders in traditionellen Branchen und im deutschsprachigen Raum. "Deutsche Gründlichkeit" und "Schweizer Präzision" sind nicht nur Marketingphrasen – sie sind Teil unserer kulturellen DNA.

Interessanterweise zeigen gerade Studien aus Deutschland und der Schweiz, wie kontraproduktiv diese Haltung sein kann: Teams mit einer zu ernsten Atmosphäre haben eine höhere Fehlerquote, sind weniger innovativ und haben eine höhere Fluktuation.

Experimente für mehr Leichtigkeit zum Nachmachen

Klar, nicht jedes Unternehmen kann oder will wie Google eine Rutsche installieren. Aber darum geht es auch gar nicht. Es sind die kleinen Momente, die den Unterschied machen:

1. Das 5-Minuten-Experiment

Wage wie ich das Experiment: Lass dich für fünf Minuten auf etwas "Albernes" ein. Du wirst überrascht sein, wie befreiend das sein kann. Gelingt es dir, deine Arbeitskolleginnen und -kollegen zum Lachen zu bringen?

2. Die arbeitstaugliche Schneeballschlacht

Es gibt viele Möglichkeiten, spielerische Momente im Arbeitsalltag zu integrieren, z.B. fünf Minuten spielerische Pause im Meeting, ein kreatives Warm-up vor der Projektbesprechung, ein improvisiertes Stehtischtennis in der Mittagspause.

3. Der Perspektivenwechsel

Frag dich bei der nächsten schwierigen Aufgabe: "Wie würde ein Kind das angehen?" Kinder denken oft kreativer, weil sie sich nicht um Konventionen scheren.

4. Der Mutmacher-Effekt

Sei wie Martin – habe den Mut, den ersten Schneeball zu werfen. Oft braucht es nur eine Person, die den Anfang macht.

Vielleicht entdecken wir dabei, dass wir produktiver sind, wenn wir uns erlauben, zwischendurch auch mal "kindisch" zu sein. Dass echte Professionalität nicht bedeutet, immer ernst zu sein, sondern situationsangemessen zwischen verschiedenen Modi wechseln zu können.

Denn eines ist sicher: Ernst zu sein ist keine Garantie für gute Arbeit. Aber Freude bei der Arbeit ist eine Garantie dafür, dass wir länger durchhalten und bessere Ergebnisse erzielen.

Übrigens. Auch wenn ich heute 2% sehe - einen Schneeball werfen und treffen kann ich immer noch ganz gut. Frag Martin.

Also: Wann wagst du dein erstes "5-Minuten-Experiment"?

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Martina Talamona ist Psychologin und Coach. In ihren Vorträgen und Retreats verbindet sie wissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischen Erfahrungen – und einer ordentlichen Portion Leichtigkeit.

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